– Ostergruß von Pfarrer Bernhard Schäfer, Steinwenden –

Aus der Geschichte lernen wir, dass wir Menschen nichts aus der Geschichte lernen. – So oder so ähnlich geht ein Denkspruch durch die Medien dieser Tage. Jeder kann dazu Stellung beziehen und unabhängig von eigenen Einstellungen zustimmen.
Ob es die Besonderheit der
russischen Geschichte zwischen Annäherung an die westliche Lebensweise oder die Abgrenzung davon, der Rückzug auf die eigene östliche Identität bedeutet; ob es der Rhythmus der Geschichte Israels ist, dessen Wohl und Wehe von der Machtverteilung der Nachbarstaaten abhängt, und das nicht nur im Mittleren Osten, sondern weltweit; ob es einzelne historische Ereignisse sind, die zum Vergleich herangezogen werden; in allen Konfliktfeldern wie in jeglichem Handeln der Menschheit insgesamt lässt es sich immer wieder beobachten. Wir tappen wieder in die gleichen Fallen.
Aber was dann? Gibt es kein Entkommen daraus?

Lästiges und unangenehmes Gedenken
In diesen Tagen begehen Christen die Karwoche bis zum Karsamstag, dem Tag der Grablegung‘, manche betonen auch ‚der Höllenfahrt‘ Christi. Diese Woche mündet numerisch in den achten Tag, den ersten Tag der neuen Woche, mit dem nach christlichem Glauben tatsächlich neues Leben, ja geradezu eine neue Schöpfung ihren Anfang nimmt. Ostern. Diese Woche ist erfüllt von gläubigem Gedenken, das zugleich vielen lästig und unangenehm ist. Das Gedenken der Gläubigen schließt doch immer schon die Selbstreflektion mit ein. Alles, woran Christen sich dieser Tag erinnern und es so vergegenwärtigen, hat etwas mit einem selbst zu tun.
Der Tod Jesu am Kreuz wirft ein Licht auf die eigene Sterblichkeit, ja die Todverfallenheit
alles Irdischen. So aber gewinnen Christen auch Anteil an der neuen Wirklichkeit, die Gott mit der Auferweckung seines Sohnes schafft und uns Menschen zugänglich macht. Die heutige Aneignung dessen geschieht auf dem Weg des Gedenkens, der Erinnerung und damit der lebendigen Vergegenwärtigung.

Nützliches Gedenken
Der Glaube ist mit seinem Gedenken und Vergegenwärtigen längst vergangener Ereignisse geradezu die Gegenthese zu der eingangs zitierten volkstümlichen Weisheit, dass wir Menschen nichts aus der Geschichte lernen würden. Christlicher Glaube lebt von der Gewissheit, dass in der Erinnerung alle Zukunftshoffnung gründet. Im Glauben ziehen Christen eine Lehre aus der Geschichte. Nein mehr noch, sie ziehen einen Nutzen daraus, genaugenommen einen Gewinn. Nicht zufällig ist gerade in Osterliedern von Sieg und Gewinn die Rede. Der Sieg des Lebens über den Tod, des Himmels über die Hölle, der Gerechtigkeit über alles Unrecht, des Friedens über alle Gewalt.

Gewinnendes Gedenken
Christen, die sich erinnernd dieses Sieges vergewissern und ihn sich vergegenwärtigen, werden darum alle Furcht ablegen, alle Angst überwinden und Boten und Zeugen des Friedens sein, der höher ist als alle Vernunft und alles irdische Machtkalkül. Um des Glaubens willen und aus der Kraft des Glaubens finden sie zu Lösungen für die anstehenden Konflikte. Denn kraft des Glaubens vergegenwärtigen sie sich geschichtliche Ereignisse und eignen sie sich an. Aus dem alten, längst vergangenen erwächst neues Leben und neue Kraft. Am Anfang steht das Gedenken. Dazu braucht es die Bereitschaft und eine gewisse Offenheit.
Es ist im Glauben nicht viel anders als das, was mir dieser Tage eine Schülerin der vierten Klasse erzählte: Ihr Großvater sei gestorben. Aber an Ostermontag trifft sich die Familie, in dessen Lieblingsrestaurant. Sie werden seine Lieblingsspeise essen und sich an seine Witze erinnern und die Lieder, die er sang. Wie heißt es noch in den Abendmahlsworten? – Das tut zu meinem Gedächtnis.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Ostern!

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