– Ein Besuch der Abteikirche in Otterberg –

Ziel unseres heutigen Ausflugstipps ist ein Gotteshaus, das alleine durch seine schiere Größe beeindruckt und als die nach dem Kaiserdom in Speyer größte Kirche der Pfalz gilt: Die Abteikirche in Otterberg. Mit einer Länge von 73,5 Metern, einer Breite von 35 Metern und einer Gewölbehöhe von 20 Metern beherrscht sie auch heute noch das Stadtbild von Otterberg und muss zur Zeit ihrer Fertigstellung vor knapp 770 Jahren den Menschen im damaligen Mittelalter wie ein wahres Wunder vorgekommen sei.
Die ungewöhnlich lange Zeit von 86 Jahren bauten die Mönche an ihrer Kirche, die natürlich untrennbar mit der Geschichte des Klosters verbunden ist. Die Abtei Otterberg, die damals noch Otterburg hieß, wurde – wie das seinerzeit üblich war – von einem Adeligen „gestiftet“, was konkret bedeutet, dass er einer Ordensgemeinschaft Grundbesitz schenkte mit der Bitte, darauf ein Kloster zu errichten. Das tat man aus der damaligen Frömmigkeit heraus unter anderem mit dem Hintergedanken, die Mönche mögen für das Seelenheil des Stifters und das seiner Familie beten, schließlich hatten die meisten Adeligen seinerzeit ziemlich viel von auf dem Kerbholz, was ihnen ohne die Unterstützung der für ihn betenden Mönche eine recht lange Zeit im Fegefeuer bescheren würden.

Stifter des Otterberger Kloster war Graf Siegfried von Boyenburg, der durch Erbschaft an die damals schon ziemlich heruntergekommene Otterburg kam, die sich auf dem heutigen Otterberger Schlossberg befand. Da der Grundbesitz in der Nordpfalz ziemlich weit entfernt liegt von den Stammladen der Boyenburger in Northeim im südlichen Niedersachsen dürfte die Stiftung für den Grafen finanziell durchaus zu verschmerzen gewesen sein.
Beurkundet wurde die Stiftung 1143 zusammen mit dem Mainzer Erzbischof, der dem Kloster die Kirche in der Otterburg gleich mit schenkte. Zwei Jahre später entsendete das Kloster Eberbach zwölf Zisterzienser-Mönche in Richtung Otterburg, um die Gründung der Abtei in Angriff zu nehmen. Da Graf Siegfried zwischenzeitlich verstorben war hatten die ersten Mönche in der Anfangszeit mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Der Grund: Damals war es üblich, dass sich dem ersten Stifter in der Regel in der nachfolgenden Zeit weitere Adelige als wohltätige Stifter anschlossen, so dass der Grundbesitz und damit die wirtschaftliche Kraft der meisten Klöster stetig anstieg.
Erst als die damals schon ziemlich prominente Hildegard von Bingen die Klostergründung der Zisterzienser in Otterberg protegierte konnten die Starschwierigkeiten behoben werden. Für die Zeit von 1207 bis 1250 sind 21 Schenkungen verbürgt, die mit weiteren Stiftungen dafür sorgten, dass sich das Kloster eine mächtige Basilika bauen konnte.

1168, also erst knapp 25 Jahre nach ihrem Eintreffen in der Nordpfalz, zogen die Mönche ins Tal des Otterbachs und begannen mit dem Bau ihrer Kirche und den anderen neuen Klostergebäuden.
Ein wenig glückliches Händchen bewiesen sie dabei bei der Wahl des Bauplatzes für ihr Gotteshaus, denn der Untergrund erwies sich wegen des nahen Bachs und der Tallage als ziemlich nass. In der Folge wurde von den Baumeistern der Mönche ein für damalige Verhältnisse einmaliges System aus Drainagen entwickelt, um den Untergrund der Kirche trocken zu bekommen. Man vermutet heute, dass die notwendigen Entwässerungsmaßnahmen der Hauptgrund dafür sind, dass das Bodenniveau des südlichen Seitenschiffs, mit dem die Bauarbeiten begannen, unter dem der restlichen Kirche liegt.
Geweiht wurde die Abteikirche am 10. Mai 1254. Die folgenden rund 150 Jahre stellten so etwas wie die Blütezeit der Abtei dar, die im Besitz von bis zu 70 Dörfern und Wirtschaftshöfen war. Besonders reichlich war der Grundbesitz in der Vorderpfalz und in Rheinhessen, mithin waren der Anbau und der Handel mit Wein ein besonders bedeutender Wirtschaftszweig für das Kloster. Mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts verpachtete das Kloster zunehmend Besitz und erwarb keine Höfe mehr, sondern eher Renten und andere Abgaben. Damit zeichnete sich eine Abkehr von der Eigenwirtschaft hin zur Geldwirtschaft ab, wobei nicht alle Otterberger Äbte erfolgreich agierten und das Kloster 1426 insolvent war. Gut hundert Jahre dauerte danach der Niedergang des Klosters. Den wirtschaftlichen Schwierigkeiten folgten die Pest, die Bauernkriege und die Reformation und der letzte Mönch verließ 1562 das Kloster, das daraufhin 1563 von Friedrich III. von der Pfalz, der seit 1546 evangelisch war, säkularisiert wurde, was im konkreten Otterberger Fall bedeutete, dass sich der Kurfürst die damals noch dem Kloster gehörenden Güter selbst unter den Nagel riss.

Die Tatsache, dass die Abtei spätestens seit ihrer Insolvenz 1426 permanent finanziell ziemlich klamm war, lässt den Schluss zu, dass die Mönche in die Unterhaltung ihrer Gebäude und vor allem der riesigen Klosterkirche nicht so viel Geld steckten, wie es eigentlich notwendig war. 1670 setzte ein durch einen Blitz ausgelöster Dachstuhlbrand dem Gebäude zusätzlich zu und um 1790 galt die Kirche als einsturzgefährdet.
Es dauerte rund 30 weitere Jahre, bis eine erste grundlegende Renovierung in Angriff genommen wurde: Zwischen 1821 und 1831 wurden das Dach neu aufgebaut, ein neues Drainagesystem eingebaut und der Boden um bis zu zwei Meter höher gelegt. Bereits seit 1691 wurde die Kirche gemeinsam vom Katholiken und Protestanten genutzt, wobei die Katholiken das Querhaus und die Protestanten das Langhaus nutzen. Damals errichtete man eine Mauer in der Kirche, um die Konfessionen auch räumlich zu trennen – zum Glück riss man die im wahrsten Sinne des Wortes unselige und trennende Wand bei den letzten großen Renovierungsarbeiten 1980 ein.
Dadurch können die Besucher heute den Eindruck, den das mächtige Kirchenschiff ausübt, wieder ungetrübt auf sich wirken lassen. Zudem wurde bei der jüngsten Renovierung der Kirchenboden wieder auf sein ursprüngliches Niveau abgesenkt – und zum dritten Mal innerhalb von 770 Jahren ein neues Drainagesystem eingebaut.
Die Otterberger Abteikirche gilt als herausragendes Beispiel der zisterziensischen Ordensarchitektur, die großen Wert auf Schlichtheit und klare bauliche Strukturen legt. Einfachheit und Funktionalität sind Kriterien, die die mittelalterlichen Klosterbauten der Zisterzienser ebenso kennzeichnen wie monumentale Größe und ästhetische Raumwirkung. Es gab keine kostbare Ausstattung, kein wertvolles Kirchengerät und keinen Bauschmuck, der Raum sollte für sich wirken und macht das heute noch in der Abteikriche in Otterberg. (von Jürgen Link)

<- Zurück zur Übersicht